Es fristete ein graues Dasein auf dem Dachboden, nie hätte Oma damit gerechnet, dass jemand ihr Hochzeitskleid würde haben wollen.
Ihre Hochzeit fand in den 1950er Jahren statt, ihr Kleid wurde aus Seidensatin
und einer Spitze mit Bogenkante maßgeschneidert.

Die Enkelin setzte sich in den Kopf, in Omas altem Kleid zu heiraten.
Wir fixierten einen Termin und sie stellte sich und das verstaubte, vergilbte Kleid bei mir vor.

Folgende Probleme wurden festgestellt:
Oma war ungefähr 30 cm kleiner als ihre Enkelin, das Kleid ist in allen Längenbereichen zu kurz.
Das Kleid ist sehr schmutzig, es ist vergilbt plus viel Grau vom Dachbodenstaub.
Die Spitze ist mürbe und hat diverse Löcher.

Die Arbeit ist folglich viel schwieriger, als es eine Kopie des Modells in neuen Stoffen wäre.
Wir zerlegen das Kleid gemeinsam in einzelne Teile,
die Kundin lässt die Stoffteile reinigen.
Ich rate zu einem zweiteiligen Modell: Unterkleid aus Omas Seidensatin, das Oberteil des Unterkleides aus passendem Seidensatin ganz neu, da die alte Innencorsage zu kurz und zudem "schrottreif" ist.
Das obere Kleid aus der alten Spitze, die mit neuem Tüll unterlegt wird.
Dazu ein geraffter Tüllgürtel für die Taille und eine in gerundeter Form geschnittene Pelerinenstola.

Wir hatten vier Termine, um das Projekt zu bewältigen: die Beratung mit Kleidzerlegung, die Anproben und die Abholung.
Die Abholung war besonders bezaubernd, denn die Familienangehörigen reisten von weit her aus Österreich an: Oma und Mama kamen mit zur finalen Probe und Übergabe. Ein schöner Moment, die wirklich kleine Großmama neben ihrer Enkelin im neu belebten alten Kleid hier in der Sommersonne stehen zu sehen!

Die Arbeitskosten für ein derartig aufwändiges Projekt müssen höher angesetzt werden als bei einer neuen Meterware, da der Zuschnitt eine Herausforderung ist und zudem über 25 große und kleine Löcher mit ausgeschnittenen Spitzenblumen aus dem originalen Stoff gefüllt, mit Tüll unterlegt und von Hand zusammengenäht werden mussten. Rechnen Sie mit Kosten ab 1.900,00 Euro.
Das Spitzenkleid dürfte wohl kaum einen weiteren Gang durchstehen, das untere Seidenkleid jedoch kann noch öfter getragen werden.

Die Bilder zeigen: die Mühe hat sich gelohnt!